01. Mai 2022
Die OECD-Staaten haben sich auf eine Mindeststeuer für Großkonzerne in Höhe von 15 Prozent und eine neue Digitalsteuer als Grundgerüst für eine weltweite Steuerreform geeinigt.
Am 09./10. Juli 2021 haben die Finanzminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und der G20 das Konzept in Venedig beschlossen. Bereits 2023 soll die Umsetzung greifen. Auf den effektiven Steuersatz von 15 Prozent haben sich 137 Länder und Gebiete geeinigt. Diese grundsätzliche Vereinbarung, die eine Reihe von Vorschriften zur Berechnung des effektiven Steuersatzes enthält, wird nun in die Praxis umgesetzt und einheitlich innerhalb der EU angewendet.
Ziel ist vor allem, dass multinationale Konzerne wie Amazon, Google und Apple so zu höheren Steuerzahlungen gezwungen werden sollen. Diese nutzen oftmals Steueroasen, um ihre Steuerlast möglichst gering zu halten oder sie ganz zu umgehen.
Über eine Mindestbesteuerung von Unternehmen wird seit Jahren auf internationaler Ebene gerungen. Hintergrund ist, dass die Konzerne die Lücken des bisherigen Steuersystems geschickt nutzen und ihre Gewinne in Länder mit niedrigen Steuersätzen verschieben. Besonders im Fokus stehen große Technologieunternehmen wie Facebook. Deren Europazentrale befindet sich beispielsweise in Dublin. In Irland werden bisher nur 12,5 Prozent Unternehmenssteuer fällig.
Mit der geplanten neuen Digitalsteuer sollte das globale Steuersystem ‘fit für das digitale Zeitalter’ gemacht werden. Es basiert auf zwei Säulen:
Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 750 Millionen Dollar sollen grundsätzlich mindestens 15 Prozent Steuern zahlen.
Die Besteuerungsrechte für besonders große und sehr gewinnträchtige Konzerne sollen neu aufgeteilt werden. So können Länder, die als Absatzmärkte dienen, an der Gewinnbesteuerung teilhaben, auch wenn in ihren Grenzen keine Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten liegen. Dies betrifft insbesondere Konzerne mit einem Umsatz von 20 Milliarden Euro, deren Gewinnmarge mindestens zehn Prozent des Umsatzes beträgt.
Das Bundesfinanzministerium hat die wichtigsten Fragen zu einer der größten Reformen der internationalen Besteuerung von Unternehmen in einer umfassenden FAQ zusammengefasst.
So weit der Plan. Doch seit dem Sommer des vergangenen Jahres arbeitet die EU nicht weiter an der Digitalsteuer. Der Grund liegt in der Einigung auf eine globale Mindeststeuer beim G20-Gipfel. Deshalb wurden die Pläne für die Digitalsteuer zurückgestellt. Die auf 15 Prozent festgelegte Mindeststeuer betrifft vor allem Digitalkonzerne wie Facebook, Google und Amazon, die bislang nur wenig oder gar keine Steuern zahlen.
Problematisch sind in diesem Zusammenhang die nationalen Digitalsteuern, die es bislang bereits in Spanien, Frankreich und Italien gibt. Die müssten zurückgenommen werden.
Wichtige Faktoren der globalen Mindeststeuer sind die Income Inclusion Rule und die Undertaxed Payment Rule. Das bedeutet, dass niedrig besteuerte Gewinne in dem Land versteuert werden, in dem der Mutterkonzern seinen Sitz hat. Was fehlt, ist eine Subject-Tax-Rule, also eine Regelung zum Schutz der Quellenstaaten. Es ist geplant, diese folgen zu lassen. Der Steuersatz von 15 Prozent bei der Mindestbesteuerung ist geblieben. Wichtig sind die Umsetzungsdetails, denn der Fehler steckt oft im Detail.
Es wurde immer wieder darüber diskutiert, welches Land die Top-up-Steuer, also die Zusatzsteuer aus den Niedrigsteuerländern erhält. Generell sollen die in das Mutterland des Konzerns fließen. Problematisch wird es dann, wenn die Muttergesellschaft im Mindeststeuerstaat weniger als 15 Prozent Steuern zahlen muss. Ein Beispiel wäre hier Netflix in den USA. Ein anderes Problem könnte sich daraus ergeben, dass das Land, in dem der Mutterkonzern sitzt, die OECD-Regeln nicht umsetzt. Sowohl der EU-Richtlinienentwurf als auch die OECD-Mustervorschriften nennen eine Optionsmöglichkeit, die in einer qualifizierten nationalen Mindeststeuer besteht. Diese gestattet den Niedrigsteuerländern, die Top-up-Steuer selbst einzubehalten.
Ab einem konsolidierten Jahresumsatz von 750 Millionen Euro soll die globale Mindeststeuer greifen. In den Anwendungsbereich fallen jedoch nicht nur niedrig besteuerte ausländische Unternehmen, sondern auch niedrig besteuerte inländische Unternehmen. Auch nur inländische Unternehmen ab einem Jahresumsatz von 750 Millionen Euro müssen die globale Mindeststeuer zahlen. Es gibt aber eine Ausnahme dahingehend, dass multinationale Unternehmen und inländische Unternehmen in den ersten fünf Jahren von der Mindeststeuer ausgenommen sind.
Schaut man auf Amazon, so stellt man schnell fest, dass dieser Konzern von der Mindeststeuer ausgenommen sein wird. Dafür gibt es zwei Gründe. Der vereinbarte Mindeststeuersatz ist nur wenig höher als der Steuersatz in Irland. Außerdem ist zu erwarten, dass die Länder mit einem Steuersatz von über 15 Prozent ihren Steuersatz senken werden. Die Regelungen der globalen Mindestbesteuerung gelten nur für etwa einhundert Unternehmen auf der ganzen Welt. Dabei wird nicht der gesamte Gewinn davon betroffen sein, sondern nur maximal 30 Prozent der Gewinne.
Von der Mindestbesteuerung komplett ausgenommen sind der gesamte Finanzsektor und die Rohstoffindustrie. Das sind aber weltweit die größten Unternehmen mit den größten Gewinnen. Auch Amazon ist von der Mindestbesteuerung ausgenommen. Der Grund: Die Gewinnmarge von Amazon liegt unter der 10 Prozent Grenze.
Nach Expertenmeinung profitiert Deutschland kaum von der globalen Mindeststeuer. Die Unternehmen, die von der Säule 1 betroffen sind, die oben erwähnten 100, zahlen etwa 450 Millionen Euro zusätzliche Steuern an Deutschland. Zum Vergleich: Die jährliche Steuer aus Kaffee beträgt pro Jahr 1 Milliarde Euro. Von der Säule 2, von der überwiegend deutsche Unternehmen betroffen sein werden, werden eine Milliarde an Steuern erwartet. Für Deutschland ergeben sich damit 1,5 Milliarden zusätzliche Steuereinnahmen, glaubt man den Schätzungen der Experten.
Im Ergebnis kann man zusammenfassen, dass mit der globalen Mindestbesteuerung die Steuer nicht mehr in den Steueroasen fällig wird, sondern am Sitz des Mutterkonzerns. Das sind in den meisten Fällen die USA. Schwellen- und Entwicklungsländer profitieren kaum oder gar nicht von der Reform. Das Ziel, die Gewinne am Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit gerecht zu versteuern, wird so nicht erreicht. Auch für Deutschland ist der Nutzen eher als gering einzustufen.